Experiment MOTOMIR


Die Schwerelosigkeit beeinträchtigt nicht nur das Herz-Kreislaufsystem, die Knochendichte und den Flüssigkeitshaushalt, sondern auch die Muskulatur. Regelmäßiges körperliches Training ist die beste Maßnahme gegen den Abbau der Muskeln. Regelmäßiges Training ist die beste Maßnahme gegen Muskelschwund. Es gibt von den bisherigen Flügen (Ost und West) bereits ausreichend Erfahrungswerte über Umfang und Art der Betätigung.

Die isokinetische Arbeitsweise machte erstmals exakte Untersuchungen möglich, die über bloße Erfahrung hinausgehen. MOTOMIR diente langfristig dazu, das Training möglichst effektiv zu gestalten. Dafür waren genormte und reproduzierbare Trainingsbedingungen notwendig, denn nur damit sind exakte wissenschaftliche Aussagen möglich.

Forschungsziel

Die Ergebnisse sollen nicht nur bei Raumflügen sondern auch und vor allem in der Medizin genützt werden. Die Schwerelosigkeit kann als extremer Provokationstest verstanden werden, vergleichbar dem „Bed-Rest-Syndrom“, also der langdauernden verletzungs- oder krankheitsbedingten Ruhigstellung. In der Schwerelosigkeit treten all die Vorgänge wie Muskelatrophie, Herz- und Kreislaufschwäche schneller und intensiver auf. Dementsprechend können auch Fragen der Therapie, der Rehabilitation schneller untersucht und die Phase der Wiederherstellung verkürzt werden. Konkrete Konzepte sind in Ausarbeitung.

Funktionsweise, Meßprinzip

Das Ergometer MOTOMIR ist das Trainingsgerät der Kosmonauten. Zwei Aktoren (ähnlich Pedalen) können sowohl für die Bein- wie auch für die Armarbeit adaptiert werden. Der Kosmonaut sitzt auf einem Titansattel und muß sie in bestimmter Weise bewegen. Und zwar übt er mit Armen oder Beinen Druck auf die sich bewegenden, motorgetriebenen Aktoren aus. Er kann sie beschleunigen oder aufzuhalten versuchen. Schrittmotoren gewährleisten eine gleichbleibende Geschwindigkeit. Das ist wichtig, weil das Gerät als Schub- und Zugergometer für eine ganz bestimmte Bewegungsform ausgelegt ist, und zwar für die iso-kinetische. Das bedeutet, daß die Winkelgeschwindigkeit des untersuchten Gelenkes beim Bewegungsablauf immer gleich bleibt, sodaß der Muskel bei jeder Faserlänge proportional zu seiner Kraft belastet wird.

MOTOMIR sollte neue Erkenntnisse über die Funktionsweise der Arm- und Beinmuskulatur in der Schwerelosigkeit und über die Ermüdung der Muskeln unter Belastung liefern. Dazu wurde ein Ergometer entwickelt, das sowohl wissenschaftlichen Zwecken, wie auch dem Training der Kosmonauten dient.

Mitverwendete Apparaturen der österreichischen Nutzlast

DATAMIR, MONIMIR

Ergebnisse

Im Experiment wurde die Veränderung der Kraft- und Geschwindigkeitsmerkmale des Menschen in der Schwerelosigkeit mit besonders hoher Genauigkeit und Detailliertheit untersucht. Vor der Durchführung des Projekts AUSTROMIR gab es divergierende Meinungen darüber, wie sich Kurzzeitflüge auf die Muskelkraft aus wirken. Aufgrund der in den letzten fünfzehn Jahren am Institut für biomedizinische Probleme in Moskau durchgeführten Bodentests war man zur Ansicht gelangt, daß Kraft und Geschwindigkeit der Bewegung unmittelbar nach dem Übergang in den hypokinetischen Zustand, in diesem Fall in die Schwerelosigkeit, abnehmen. Allerdings erwartete man für die Schwerelosigkeit einen geringeren Rückgang als bei Immersionseinwirkung.

Franz Viehböck führt gerade das Experiment MOTOMIR durch. Foto: BMBWK, Wien

Die im Rahmen von MOTOMIR gewonnenen Daten untermauern diese These. Bereits am zweiten Flugtag zeigte sich tendenziell eine Reduktion der jeweiligen maximalen Kraft und der Kraftausdauer. Am fünften Flugtag sind diese Veränderungen bereits erheblich, wobei in erster Linie jene Muskeln betroffen sind, die der Fortbewegung und der aufrechten Haltung dienen. Eine Analyse der Ergebnisse läßt auch erkennen, daß die Kraft der Flexoren in geringerem Ausmaß beeinträchtigt wird als die Kraft der Extensoren. In erster Linie zeigt sich aber eine Beeinträchtigung der Kraftausdauer, deren Regeneration auch längere Zeit in Anspruch nimmt als die der Maximalkraft. Allgemein ist anzumerken, daß bei allen Analyseverfahren eine Abnahme der Kraft der Beine festzustellen war. Die Kraftausdauer der Arme war zwar merklich in Mitleidenschaft gezogen, aber es ergab sich kein einheitliches Bild.

Eine Gegenüberstellung von isometrischer und dynamischer Kraft stützt die Hypothese, daß die Abnahme der Kraft in erster Linie nicht mit den bei manchen Muskelfasern auftretenden Atrophieprozessen zusammenhängt, sondern mit einer Verringerung des Muskeltonus. Alle Muskelfasern scheinen dabei gleichermaßen betroffen zu sein, wodurch es zu einer diffusen Veränderung des Muskelverhaltens kommt.

Die vorliegenden Daten liefern eine gute Basis für die Verbesserung der Diagnostik von motorischen Defiziten und die Entwicklung effektiver Trainingstherapien.

Praktische Anwendung
Anwendungsgebiete
  • Leistungsphysiologische Grundlagenforschung
  • Sportmedizin (Diagnostik und Trainingssteuerung)
  • Rehabilitation und Prävention
  • Epidemiologie
Anwendungsziele
  • Erhöhung der Effektivität des Trainings im Sport und in der Rehabilitation
  • Beurteilung der muskulären Leistungsfähigkeit
  • Rehabilitationsbehandlung nach Traumata und neurologischen Erkrankungen
An der Nutzung der Experimentergebnisse direkt interessierte Institutionen
  • Institut für Sportwissenschaften der Universität Wien, Abteilung Sportphysiologie
  • Institut für biomedizinische Probleme, Moskau
  • Medizinische Rehabilitationseinrichtungen in österreich und in Deutschland
  • NASA
  • ESA
  • Firma NOVA, Wien
  • Firma Ing. Bumba, Wien
Technische Daten

Die Apparatur MOTOMIR bestand aus folgenden Einheiten

Elektrischer Prinzipschaltplan des Projekts MOTOMIR. Grafik: BMBWK, Wien
Ergometer MOTOMIR inklusive Ausrüstungs- und Reserveteile
  • Ergometer MOTOMIR
  • Kabel MOT1
  • Kabel MOT2
  • Bruststütze für Armarbeit
  • Schuhe mit Fixierung für Beinarbeit
  • Mechanisches Interface MOTOMIR – MIR
  • Universalschlüssel
  • Transportschutzhülle
Masse: 48,0 kg
Abmessungen: 1050 mm x 485 mm x 420 mm
Leistungsaufnahme: max. 760 W
2200 W Impulsmaximalwert
Experimentatoren

Medizin:
o. Univ.-Prof. Dr. Norbert Bachl (Projektverantwortlicher)
Mag. Harald Tschan
Dr. Ramon Baron
alle: Institut für Sportwissenschaften, Abt. Sport- und Leistungsphysiologie, Wien

Technik:
Dipl.-Ing. Dr. Massud Mossaheb (Projektverantwortlicher)
Dr. Harald Stockhammer
alle: Fa. FDP, Fanak Data Processing Datenverarbeitung Ges.m.b.H., Wien

Subauftragnehmer:
Ing. Walter Bumba
Ing. Christian Wieland
Ing. Michael Smutka
Ing. Werner Fuchs
alle: Fa. Ing. Walter Bumba, Wien